Hi Levty,
weil du mich per PN noch nach allgemeinen Tipps gefragt hast, habe ich ein etwas längeres Posting geschrieben. Ich veröffentliche es lieber hier, dann können auch andere Interessierte etwas davon haben.
Das wesentliche zum Eindüsen habe ich ja schon oben gepostet. Davon abgesehen gibt es vielleicht noch fünf oder sechs Kleinigkeiten zu beachten;
1. Das wichtigste ist zunächst, dass sich die Kiste und der Vergaser an sich in einem Top-Zustand befinden. Ein miserabler Zündfunke, schlecht eingestelltes Ventilspiel, ein hängendes Schwimmernadelventil, falsches Schwimmerkammerniveau, falsch eingestellte Beschleunigerpumpe und/oder Nebenluft können dich beim Schrauben in den Wahnsinn treiben. Also nutze die Gelegenheit und bringe die Mühle in den besten Zustand, in dem sie je war und überhole auch den Vergaser gut und gründlich (inkl. Ultraschall), wenn es sich um einen gebrauchten handelt. Lohnt sich!
2. Davon abgesehen ist die Reihenfolge beim Abstimmen eines Einfachvergasers: Leerlaufgemisch, Hauptdüse und dann Düsennadel und Nadeldüse. Mit Beschleunigerpumpen und Registervergasern habe ich noch keine Erfahrung gesammelt. Bei einem Registervergaser deaktiviert man wohl zunächst den Vergaser, der zuletzt einsetzt und stimmt zunächst den Hauptvergaser ab. Danach den Zusatzvergaser. Beschleunigerpumpen werden "nur" richtig eingestellt, aber nicht abgestimmt, wenn ich mich nicht täusche. Da solltest du dich aber noch einmal schlau machen, falls du es damit zu tun hast.
3. Davon abgesehen wird zunächst das Leerlaufgemisch abgestimmt. Das ist aus zwei Gründen wichtig: Zum einen startet deine Mühle sonst nicht
, zum anderen legt sich das LLG später "über" das gesamte restliche Gemisch. Das LLG-System deines Vergasers ist immer aktiv, egal ob sich der Motor im LL oder in Volllast befindet. Entsprechend beeinflusst eine spätere Änderung deines LLGs auch die Volllast- oder Teillastabstimmung. Der Einfluss des LLG wird zwar immer geringer, je mehr es Richtung Volllast geht, ein gewisser Einfluss bleibt aber erhalten. Im Teillastbereich ist dieser auch durchaus spürbar. Deswegen: Zuerst das LLG optimal einstellen!
Einen ersten Anhaltspunkt liefern dir Erfahrungswerte von Leidensgenossen oder der Hersteller/Importeur. Ausgesprochen hilfreich ist außerdem eine
Colortune-Zündkerze. Damit kannst du das LLG perfekt abstimmen. Ich habe mir damals eine von einem Bekannten geliehen.
4. Wenn der Motor danach im Leerlauf perfekt und ansonsten einigermaßen rund läuft, kannst du an die Abstimmung der Hauptdüse gehen. Dazu kannst du so vorgehen, wie ich es im Link oben beschrieben habe. Du benötigst eine Handvoll Hauptdüsen in enger Abstufung. Erfahrungswerte von anderen Usern/vom Importeur helfen dir, die richtige "Startgröße" zu bestimmen.
5. Nun geht es an die Ermittlung der richtigen Kombination von Nadeldüse/Düsennadel. Vorweg muss man sagen, dass eine industriemäßige, perfekte Abstimmung nur auf einem Leistungsprüfstand möglich ist. Über den verfügen in Deutschland aber nur rund 62 von einer Million Menschen. Deswegen scheidet diese Variante oft aus, zumal es sich um einen Prüfstand handeln müsste, bei dem nicht nur die verschiedenen Schieberstellungen des Vergasers, sondern auch die unterschiedlichen Lastzustände des Motors berücksichtigt werden können. In der Praxis bleibt deswegen meist nur die Ermittlung im Fahrversuch.
Dazu musst du dein Motorrad so vorbereiten, dass du die Schieberstellung des Vergasers während der Fahrt erkennen kannst. Ich habe damals ein Stück Kabelbinder zwischen Griffgummi und Gasgriffgleitstück geklemmt, so dass ich eine Art Zeiger hatte. Dann habe ich auf das Gehäuse vom Gasgriff eine Skala mit 0, 1/4, 1/2, 3/4 und 1/1 markiert.
Nun suchst du dir einen Tag mit einigermaßen stabilen Hochdruckwetter aus, an dem du von 8 Uhr bis 20 Uhr Zeit hast und durchfährst mit deinem Motorrad die verschiedenen Schieberstellungen in verschiedenen Lastzuständen. Dabei versuchst du zunächst den richtigen Kegel der Düsennadel im Bereich zwischen 0 und 1/4 Schieberstellung zu finden, dann zwischen 1/4 und 1/2. Kontrollieren zwischen 0 und 1/2. Dann zwischen 1/2 und 3/4. Kontrollieren zwischen 0 und 3/4. Dann zwischen 3/4 und 4/4. Kontrollieren zwischen 0 und 4/4.
Ich habe mir damals ein einfaches Messgerät mit einer günstigen Sprunglambdasonde (wie sie in jedem Kfz verwendet wird) angebaut (s. auch
hier). Das war bei der Abstimmung ungemein hilfreich, weil man gleich sieht, ob es bei Verschluckern Richtung fett oder mager geht. Wenn du diesen Aufwand scheust, kannst du die Nadel auch nach jeder Fahrt umhängen und so versuchen die Richtung (fett/mager) zu ermitteln.
6. Am Ende habe ich meine Xl 570 mit einem Mikuni VM 36 so abgestimmt, dass sie rund 5,5 Liter/100 km verbraucht, 44 PS drückt und ruckfrei beschleunigt. (Wobei letzteres nicht ganz stimmt: Wenn ich längere Zeit mit der BMW gefahren bin (bei der man durchaus schon bei 3.500 U/min schalten kann), passiert es mir manchmal, dass ich aus Gewohnheit dieses Drehzahlniveau auch mit der XL fahre. Dann kann sie sogar ganz heftige Verschlucker bekommen. Ist mir damals nicht aufgefallen, weil ich ein solches Drehzahlniveau gar nicht kannte. Genau genommen müsste ich die Abstimmung also überarbeiten. Ich neige aber eher dazu, das als eher einen Fahrfehler denn als einen Abstimmungsfehler zu betrachten
.)
Insgesamt ist das Abstimmen eines völlig fremden Vergasers kein Hexenwerk, solange genügend Abstimmungsmaterial (Düsen, Nadeln) verfügbar ist. Man muss sich aber schon einige Zeit nehmen, bereit sein, ein paar Euros für Düsen und Nadeln zu investieren und Spaß daran haben, sich in die Materie einzufuchsen. Je mehr Informationen man von Gleichgesinnten erhalten kann, desto einfacher und günstiger wird die ganze Angelegenheit.
Unterm Strich stellt sich aber natürlich immer die Kosten/Nutzen-Frage. Ganz blöd waren die Honda-Ingenieure ja schon 1979 nicht. Sie mit einfachen Hausmitteln zu toppen, halte ich im Jahre 2014 zwar prinzipiell für möglich, aber in der Praxis für sehr ehrgeizig. Solange also nicht Spieltrieb und Experimentierfreude im Vordergrund stehen, ist es sicherlich immer einfacher und günstiger, einen Serienvergaser zu überholen, als einen neuen einzudüsen. Wenn es aber um den Spaß am Lernen geht: Nur zu! Ich find's gut.
Viele Grüße,
Dominik
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Habe eben die Vergaserabstimmung von damals herausgesucht. Es handelt sich um einen Mikuni VM 36-4. Dies ist mein Setting vom 25.3.2007:
Kolbenschieber: 2,5
Düsennadel: 6DH3
Clip: Mitte
Nadeldüse: 159/P-8
Hauptdüse: 220
Leerlaufdüse: 35
Hauptluftdüse: 2
Nadelventil: 3,3
Schimmerstand: 15 mm
Co2-Schraube: 1,25 Umdrehungen
Allerdings bin ich mir nicht ganz sicher, ob das auch tatsächlich der letzte Stand war. An einer anderen Stelle habe ich auf dem Zettel noch "#190" und "Clip oberste Kerbe" vermerkt. Ich könnte mich also bis zu einer 190er Hauptdüse vorgetastet haben und habe vielleicht auch noch einmal die Nadel variiert. Kann mir eigentlich gar nicht vorstellen, dass ich die Nadel zuletzt einfach nur umgehängt habe.
Topham hatte den Vergaser mit diesem Grundsetting ausgeliefert:
Kolbenschieber: 2,5
Düsennadel: 6FJ6
Clip: ??? (vermutlich Mitte - keine Ahnung, warum ich da drei Fragezeichen eingetragen habe)
Nadeldüse: 159/Q-5
Hauptdüse: 310
Leerlaufdüse: 35
Hauptluftdüse: 2
Nadelventil: 3,3
Schimmerstand: 18 mm
Co2-Schraube: 1,5 Umdrehungen
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